Zeit zum Trauern

Wahrscheinlich begegnen wir täglich Menschen, die um jemanden trauern. Wir sehen es ihnen aber nicht an, weil es heute keine äusserlichen Zeichen mehr für die Trauer gibt, so wie früher das Tragen schwarzer Kleidung. Sie arbeiten, essen mit uns in der Kantine, lachen wie wir. Nichts weist darauf hin, dass sie innerlich leiden, fast könnte man – möchte man – denken, dass sie nicht leiden. Dem ist nicht so.

Jemanden zu verlieren, der einem nahe steht, löst einen tiefen seelischen Schmerz aus. Denn der Tod ist unwiderruflich und entreisst einem den geliebten Menschen für immer. Der Weg der Trauer ist lang und besteht aus mehreren Etappen. Deshalb sollte die Gesellschaft (Familie, Unternehmen, Institutionen) trauernde Menschen nicht allein lassen, sondern ihren Bedürfnissen Aufmerksamkeit schenken, damit sie sich genügend Zeit nehmen können, um zu trauern. Die Trauer um einen geliebten Menschen ist nicht nach einigen Tagen überwunden. Trauernde müssen das Erlebte in ihrem Tempo verarbeiten können, offen, gemeinsam mit anderen Betroffenen, die ihnen Verständnis entgegenbringen. Sie müssen über den Verstorbenen reden, über die Umstände des Todes, gemeinsame Erinnerungen, ihre Gefühle. Wenn wir einer trauernden Person Raum dafür geben, kann sie weitergehen und ihren Schmerz langsam verarbeiten.

Nicht bewältigte Trauer führt häufig zu körperlichen, psychischen oder zwischenmenschlichen Problemen. Was wir oft vergessen. Viele glauben, dass Zeit allein die Wunden heilt. Das ist ein Trugschluss. Wer würde behaupten, dass die Zeit eine körperliche Wunde heilt? Ohne Behandlung wird sie sich infizieren. Das gilt für psychische Wunden ebenso. Sie müssen zuerst gereinigt werden, damit sie heilen können.

Mit der Unterstützung anderer Menschen.

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