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Alibi nie endlich

Über Missverständnisse oder «Verhörungen» im Alltag können wir in der Regel lachen. Schnell finden wir heraus, dass das natürlich «Alli mini Entli» oder «Alle Vögel sind schon da» heissen müsste.

Wie sieht aber der Alltag aus für die rund 10 000 gehörlosen und über 500 000 schwerhörigen Mitmenschen in der Schweiz? Täglich sind sie konfrontiert mit ungleich komplexeren «Verhörungen» und Missverständnissen. Obwohl viele von ihnen mit Hörgeräten oder Cochlea-Implantaten hörtechnisch versorgt sind, sind sie alltäglich gefordert, aus unvollständig Gehörtem sinnvolles Verstehen zu konstruieren. Und das benötigt viel Energie, strengt an und ermüdet.

Können wir «Normalhörenden» etwas dazu beitragen?

Es sind ganz einfache Regeln, die die Kommunikation mit unseren hörbehinderten Mitmenschen erleichtern:

• Sichtkontakt aufnehmen
Viele Menschen mit Hörbehinderungen sind sensibilisiert auf weitere körpersprachliche begleitende Informationen aus Mimik oder Gestik.

• Deutlich sprechen
Wir haben, vor allem in der Mundart, eine schnelle und oft undeutliche Aussprache. Klar, es gilt nicht zu übertreiben, aber ein bisschen Achtsamkeit hilft schon weiter.

• Bei Störlärm nicht sprechen
Wir alle kennen die Situation aus Bahnhöfen oder entlang von stark befahrenen Strassen, von der Disco ganz zu schweigen: Wir verstehen uns im Störlärm viel schlechter.

• Nicht durcheinandersprechen
Gerade auch weil viele unserer hörbehinderten Mitmenschen auf die Unterstützung durch Ablesen angewiesen sind und beim «Durcheinander-Sprechen» auch Störlärm entsteht, ist es für sie extrem schwierig, sich auf die Inhalte zu konzentrieren.

Bei lernenden Kindern und Jugendlichen mit einer Hörbehinderung müssen diese Regeln viel sorgfältiger beachtet werden. Sie verfügen noch nicht über eine vollständige Sprache, kennen oft die Sachverhalte zu wenig und können daher auch nicht ausweichen auf bereits bekannte Situationen und Inhalte. Je nach Hörverlust und Begabung müssen daher unterschiedliche Schulungsformen möglich sein, von der Sonderschulung bis zur Förderung und Unterstützung in der Integration, ab Diagnose bis zum Ende der ersten Berufsausbildung oder dem Erwerb der Matura.

Jan Keller

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